Am Morgen wird der Sandsturm von einem mächtigen Gewitter abgelöst. Jetzt überqueren wir so manche überflutete Straße, die sonst über ein ausgetrocknetes Flußbett führt. Irgendwie ziehen wir hier den Regen an. Auf einem Campingplatz waschen wir noch unsere Wäsche und tauschen dabei mein kaputtes Fahrrad (Rahmenbruch) und die alte Kurbelwaschmaschine (auf der Reise zweimal benutzt) gegen einen Berberteppich ein.
Auf unserer geplanten Route liegt die Straße der Kasbah südlich des Hohen Atlas, die wir von West nach Ost befahren wollen, um über Midelt das Gebirge gen Norden zu überqueren. Dazu müssen wir allerdings erstmal wieder nach Westen kommen. Wir wählen eine touristisch wenig erschlossene Nebenstrecke von Rissani nach Ouarzazate. Keine Wohnmobile weit und breit, dabei ist die Landschaft ähnlich bizarr wie weiter im Süden, steinige Hügel im Wechsel mit Palmenoasen. Dann überholt uns doch noch ein Konvoi von vier hochmodernen Reisebussen mit europäischen Gesichtern hinter den Scheiben. Etwas später holen wir sie wieder ein, denn sie haben für eine Pinkelpause gehalten. Doch was ist das? Anstelle von Rentnern strömen junge, durchtrainierte Leute hinkend und humpelnd aus den Bussen. Hannes erkennt sie sofort: Es sind die Teilnehmer des Marathon de Sable, die zwei Tage nach uns Merzouga erreicht haben und von M`hamid aus auf gleicher Strecke wie wir die Sahara durchquert haben – zu Fuß versteht sich. Der Anblick, der auf mich eher abschreckend wirkt, bringt Hannes in Hochstimmung. In Gedanken geht er wohl schon das Anmeldeformular durch.
Wir übernachten auf einem Mini-Campingplatz (drei ummauerte Parkmöglichkeiten hinter einem Wohnhaus) irgendwo auf der Strecke. Im Dunkeln ist sonst kein geeigneter Stellplatz ausfindig zu machen. Doch diese Wahl erweist sich als glückliche Fügung, denn der Platzbesitzer ist eigentlich Geologe und zeigt uns seine beeindruckende Sammlung verschiedener Fossilien und Kristalle, die er in Marokko und anderen afrikanischen Ländern gefunden hat. Den Jungs quellen die Augen fast über. Er beschreibt uns den Weg in ein naheliegendes versteinertes Korallenriff (vor über 300Mio Jahren gab es hier ein Meer). Leider finden wir keine Fossilien, dafür aber ein paar Kristalle. Dabei werden wir mal wieder von Einheimischen bestaunt. Die drei Frauen und der kleine Junge verfolgen uns auf Schritt und Tritt, zeigen uns ständig irgendwelche Steine und setzen sich schließlich zur weiteren Beobachtung auf einen Felsbrocken. Nach etwa einer Stunde zeigen sie noch keine Ermüdungserscheinungen, also fahren wir ab.
In der Palmenoase Tazzarine wollen wir übernachten. Zur Abwechslung nach dem vielen Sand sollen die Jungs mal einen Pool haben. Laut Reiseführer gibt es mehrere Campingplätze, die über einen solchen verfügen. Doch wir stellen ziemlich schnell fest, daß der Ort wohl mal bessere Zeiten, das heißt in diesem Fall, Zeiten mit etwas mehr Touristen, gesehen haben muß. Auf dem ersten Platz ist das Gelände zwar offen, wir können einfach drauffahren, aber niemand anzutreffen und der Pool leer. Der zweite hat Wasser im Becken, ist auch sonst recht ansehnlich. Aber auf die Frage, warum hier sonst niemand campt, reagiert der Typ an der Rezeption äußerst gereizt. Riesen Anlage, total leer – irgendwie suspekt. Platz Nummer drei etwas abseits der Straße: klein, sandig, ebenfalls leer und kein Schwimmbecken. Na gut, erstmal erkundigen. Ein einäugiger Opi kommt aus einem Verschlag. Der Preis für die Nacht beträgt 100 Dirham. Okay, darüber müssen wir gar nicht weiter nachdenken. Es soll noch einen vierten Platz geben, der über eine 12 km lange Piste erreichbar ist. Daß sich dort irgendjemand aufhält, erscheint uns sehr unwahrscheinlich. Wir beschließen, uns einfach hinter einen sandigen Hügel in die Landschaft zu stellen. Schließlich sind wir jetzt die großen Offroader mit Saharaerfahrung … Natürlich fahren wir uns richtig schön fest. Nach ein wenig Schaufelei graben wir uns beim ersten Freifahrversuch noch tiefer ein. Es dämmert bereits. Da ruft Hendrik: „Wo ist eigentlich das Longboard?“ Wir gucken uns nur an und wissen die Antwort gleich. Das steht noch beim Campingplatz-Geologen hinterm Haus, 100 km entfernt. Dessen Kindern hatten wir schon zwei kleine Skateboards vermacht, aber das Longboard wollten wir eigentlich behalten. Wir verspeisen in leichter Schräglage Konserven-Hühnersuppe und setzen dann gestärkt die Grabungsarbeiten fort. Nach erfolgreicher Fahrzeugbefreiung inklusive Reifendruck ablassen, Rückfahrt zum Geologen, inniger Umarmung zwischen Hannes und seinem Longboard und erneuter Fahrt zum Ausgangspunkt endet dieser abwechslungsreiche Tag gegen ein Uhr – diesmal vorsichtshalber etwas dichter am Weg.