Fès

Wir überqueren das Atlasgebirge, erledigen die Versicherungsformalitäten in Meknes und machen uns dann auf schnellstem Wege auf nach Fes, das religiöse und kulturelle Zentrum Marokkos, wie seine Bewohner stolz behaupten. Wie immer meiden wir die Neustadt so gut es geht, steuern direkt die Medina an und stürzen uns ins Getümmel. Anfangs ist man etwas an Marrakech erinnert. Die engen Gassen der Souks, die Gerüche, die Souvenirläden, die vielen Touristen. Doch Fes ist anders. Keine Anmache durch die Händler, man kann einfach gucken und weitergehen, die Enge wirkt gemütlich, nicht chaotisch, in den Cafés sitzen Einheimische neben Europäern. Und die Medina ist schön, überall reich verzierte Türen, Torbögen, kleine Brunnen. Wir wollen auf einer der unzähligen Dachterassen etwas essen. Als Hannes zielstrebig vier Kefta- und Hühnchen-Tajine und den typischen Tee für sechs Personen bestellt und auch noch den Preis runterhandelt, ist man schon etwas irritiert – die meisten Fes-Besucher sind seit Kurzem in Marokko, man sieht es an der vornehmen Blässe.
Auch hier wollen wir wieder stilecht in einem Riad übernachten. Eine ganze Weile laufen wir auf der Suche nach dem für uns richtigen durch die Gegend, eines zu dunkel, das nächste zu teuer, viele schon voll, in einem werden wir abgelehnt (die vier Kinder passen offensichtlich nicht ins gediegene Ambiente, welches die französische Besitzerin hier anstrebt). Dabei fällt die Orientierung im Gassengewirr reichlich schwer. Irgendwo finden wir dann doch noch ein sympathisches Riad im fast schon überladen wirkenden 1001-Nacht-Stil, dessen Besitzerin schon ihre Kindheit in diesem Haus verbracht und zwei Jahrzehnte Arbeit in seine Restaurierung gesteckt hat. Sie wohnt im Erdgeschoß und begrüßt uns mit zerzaustem Haar und ausgebeultem Jogginganzug – von gediegen keine Spur, hier bleiben wir! Die Kleinen schlafen im goldenen Himmelbett. Den Großen ist das natürlich zu mädchenhaft, sie nehmen gern die Couch. Leider treibt uns ein zwingender Makel am nächsten Tag weiter: Das Frühstück (franz. petit déjeuner) ist leider dermaßen >petit<, daß Hannes bei seinem Anblick beinahe in Tränen ausbricht. So ziehen wir mit halbvollen Mägen einmal mehr mit Sack und Pack durch`s Gassengewühl und landen letztendlich im Palais du Fes mit orientalischer Suite, stadtbekanntem Restaurant und reichhaltigem Frühstück. Daß wir damit eine Preisklasse höher rutschen, versteht sich von selbst. Der Besitzer Azzadine, selbst hier aufgewachsen, hat mit dem Teppichverkauf angefangen, dann das Restaurant eröffnet und schließlich das Riad hinzugefügt. Inzwischen läuft der Laden wohl sehr gut. Er guckt mit uns Champions League und kickt in der Halbzeit mit den Jungs im Teppichladen ("Ist genug Platz. Mein Sohn hat immer hier gespielt."). Sein Fahrer führt Hannes zu einem näher gelegenen und günstigeren Parkplatz für die Feuerwehr. Für den nächsten Tag organisiert er für uns einen ihm bekannten Führer zur näheren Erkundung der Medina. Daß man sich hier gut verlaufen kann, haben wir ja am Vortag schon festgestellt. Mit Sidi an unserer Seite ist auch das Fotografieren unproblematisch. Er führt uns ins Gerberviertel, in eine Weberei, läßt uns in eine Moschee reinknipsen. Und anders als erwartet werden wir nirgends zum Kauf irdendwelcher Waren gedrängt. Beim Rundgang durch Fes fallen die vielen Holzbalken auf, welche Dächer und Wände der alten Gemäuer abstützen. Anders als in Marrakech ist es hier bislang nur gelungen, einen kleinen Teil der Medina zu restaurieren, dem Rest droht der Verfall. Aber die Zahl der Investoren steigt langsam und - auch das unterscheidet Fes von Marrakech - es sind vor allem Marokkaner, die sich für den Erhalt der Altstadt einsetzen. Sidi erzählt ein bißchen was zur Geschichte der Stadt, auch zur Mentalität der Leute und zu den Problemen des Landes. Er meint, die Marokkaner seien für die vielen westlichen Einflüsse noch nicht reif, alles verändere sich zu schnell. Vor allem aber sei der Wandel zum Rechtsstaat mit Vorbild Europa daran schuld. Nach seiner Meinung ist es nicht richtig, daß jeder erst eine Verhandlung braucht, um verurteilt werden zu können, und daß die Strafen so lasch sind. ... Wir lassen das kommentarlos so stehen. Macht es Sinn, einen 60-jährigen von einer anderen Weltanschauung überzeugen zu wollen? Hoffentlich denken seine Kinder anders darüber. [nggallery id=86]

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